Spuren im Schnee
23/03/2022„Ich hab heute was tolles Neues ausprobiert“
11/05/2022Ein ehemaliger Wettsüchtiger berichtet.
Daniel Kessler war viele Jahre lang spielsüchtig. Momentan sitzt er im Gefängnis. Auch seinen Traumjob bei der Integrierten Leitstelle in Ludwigsburg ist er los.
Wir haben mit ihm über seinen Weg in die Sucht gesprochen und wie er sich in sein altes Leben zurück kämpft.
Du warst ja rund 10 Jahre wettsüchtig. Warum hast Du mit dem Wetten angefangen und wie hat sich Deine Sucht entwickelt?
Daniel Kessler: Angefangen hat alles mit einer Fussballtipprunde unter Kollegen während meiner Berufsausbildung, klassisch wie man es aus Büros kennt. Das Ganze steigerte sich dann kontinuierlich und ging in kommerzielle Wetten bei bekannten Anbietern über. Zunächst im lokalen Wettbüro später dann auch zusätzlich per APP mittels Smartphone.
Welche Wirkung hatte die Spiel-/Wettsucht auf Dich? Was hat es für Dich so schwer gemacht, damit aufzuhören?
Daniel Kessler: Nachdem sich das Ganze gesteigert hatte, verlor ich den Überblick. Ans Aufhören dachte ich jedoch nie bzw. es kam mir nicht einmal der Gedanke dafür in den Sinn. Die Sucht hatte mich voll im Griff und das Rad drehte sich immer weiter.
Wie bist Du an das Geld für die Wetten gekommen?
Daniel Kessler: Zunächst finanzierte ich das Ganze durch mein geringes Auszubildendengehalt. Später dann durch meinen Lohn. Nachdem mein Vater verstorben war, verzockte ich auch das Erbe vollständig. Als alle Reserven verbraucht waren, beging ich Betrugsstraftaten, um durch den Verkauf nicht bezahlter bzw. nur teilweise bezahlter Waren an Geld zu kommen. Ich war nie arbeitslos. Für Miete und Geld zum Leben zweigte ich vom Lohn immer genügend ab, sodass dies gesichert war.
Wie hast Du es geschafft, dass niemand etwas davon bemerkt hat?
Daniel Kessler: Meine Frau wusste zwar, dass ich wette, allerdings war ihr das Ausmaß nicht bekannt. Mahnungen und Gerichtsschreiben fing ich bereits am Briefkasten ab und lies diese verschwinden.
Du warst Dir lange Zeit sicher, dass Du das Spielen unter Kontrolle, und kein Suchtproblem hast. In welchem Moment hast Du Deine Meinung geändert?
Daniel Kessler: Leider machte ich mir erst mit der Inhaftierung und dem Schließen der Zellentür ernsthafte Gedanken über meine Situation und deren Ursache.
Was war der Ausschlag dafür, dass Du eine Suchtberatung aufgesucht hast?
Daniel Kessler: Nachdem mir meine Situation im Knast bewusst wurde und mir klar war, was ich angerichtet habe.
Wie hilft Dir die externe Spielergruppe der Caritas Ulm?
Daniel Kessler: Anfangs staunte ich nicht schlecht, dass es noch andere gibt, denen es ähnlich ging wie mir. In dieser Gruppe treffen sich die unterschiedlichsten (Ex-)Spieler. Die Gespräche bringen mir sehr viel auch hinsichtlich der Informationen zu stationären Therapieangeboten.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Daniel Kessler: Eine stationäre Therapie, welche leider erst nach der Haft möglich ist. Bei Drogendelikten ist solch eine Therapie schon während der Haft möglich – hier haben diese Täter einen eindeutigen Vorteil – § 35 BtMG „Therapie statt Strafe“. Nie mehr zu Wetten und mich um meine Frau und Tochter kümmern. Zurück in meinem Traumberuf, den Rettungsdienst.
Was würdest Du Deinem 16-jährigen Ich raten? Und damit allen jungen Menschen, die vermuten, dass sie wett- bzw. spielsüchtig sind?
Daniel Kessler: Informiert Euch über die diversen Möglichkeiten zum brisanten Thema Spielsucht / Wettsucht. Vergesst die Lockangebote mit Einzahlungsbonus etc.. Man bekommt nichts umsonst! Für bereits Betroffene empfehle ich die deutschlandweite Sperrplattform „OASIS“.
Vielen Dank für Deine Antworten, Daniel!
Während seiner Haft hat Daniel Kessler das Buch „GameOver 23.01.2020: Wetten, Knast & COVID-19“ geschrieben. Darin berichtet er über sein Doppelleben als zuverlässiger Mitarbeiter im Rettungsdienst und wettsüchtiger Betrüger und seinen Weg ins Gefängnis.