Spaß mit dem Schwungtuch
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18/02/2021Die wichtigsten Fragen zu Mehrsprachigkeit bei Kindern
In unseren Kindertagesstätten bekommen wir immer wieder Fragen zum Thema „Mehrsprachigkeit“ gestellt. Natalia Pérez-González, Referentin für Mehrsprachigkeit und selbst Mutter von mehrsprachigen Kindern, hat uns als Gastautorin die wichtigsten Fragen beantwortet.
Wir sind beide keine Deutsch-Muttersprachler und unser Kind spricht ausschließlich in der Kita Deutsch. Sollten wir auch zuhause mit den Kindern Deutsch üben?
Natalia Pérez-González: Das ist einzelfallabhängig: Wenn die Eltern bereits gut deutsch sprechen und einen deutschsprachigen Bekanntenkreis haben, ist das durchaus sinnvoll. Sind Eltern jedoch erst kurz in Deutschland oder sprechen noch nicht so gut deutsch, sollten sie eher darauf achten, dass ihre Kinder so lange wie möglich in einer deutschen Kita bleiben und in der Freizeit Kontakt zu deutschsprachigen Kindern haben.
Wenn wir nicht zuhause sind, sondern an öffentlichen Orten, wie zum Beispiel in der Krippe, sprechen wir mit den Kindern deutsch, obwohl wir beide keine Muttersprachler sind. Ist es sinnvoller, dass wir die Sprache an unsere Person koppeln statt an bestimmte Orte?
Natalia Pérez-González: In jeder Familie sollte eine Bezugsperson für eine Sprache zuständig sein. Diese Sprache können Sie dann immer und überall mit ihrem Kind sprechen. Kinder sollten sehen, dass ihre Eltern stolz überall ihre Muttersprache sprechen, damit sie sie für sinnvoll halten.
Gleichzeitig sollten Eltern erstens darauf achten, dass ihre Kinder viel Kontakt mit deutschsprachigen Personen haben. Und zweitens darauf, dass sie sich selbst gut integrieren und Deutsch lernen. Denn mit ihrem Verhalten sind sie Vorbild für die Kinder und Eltern sollten nicht vergessen, dass sie irgendwann ihren Kindern bei den Hausaufgaben helfen müssen.
Wir sind sehr verunsichert, weil unsere Tochter, die zweisprachig aufwächst, Sprachverzögerungen hat und manchmal auch beide Sprachen mixt. Müssen wir uns Sorgen machen?
Natalia Pérez-González: Es kommt immer darauf an, wie sie diese Sprachen mischt. Fälle von Code switching, also, dass Menschen die Sprache während des Sprechens wechseln, sind beispielsweise normal und kommen recht häufig vor.
Kann das Kind jedoch kaum vernünftigen Sätze aufbauen, sollten sich Eltern Unterstützung holen. Sprachmischungen können die positive kognitive Entwicklung des Kindes behindern. Komplexe abstrakte Gedanken können nur schwer verstanden und wiedergegeben werden, weil das Kind in keiner Sprache den vollständigen Wortschatz besitzt.
Ein erfahrener Berater oder Trainer für Mehrsprachigkeit kann erklären, wie Familien damit umgehen können und was sie konkret tun können, um ihrem Kind dabei zu helfen, die Sprache fließend zu sprechen.
Unsere Tochter spricht nur Deutsch und lehnt ihre Muttersprache ab. Was können wir tun?
Natalia Pérez-González: Das passiert leider recht häufig in Familien, die keine Begleitung bekommen haben. Wenn Kinder schon älter sind, ist es schwierig, das zu ändern, da sie zu Gleichaltrigen und ihren Freunden gehören möchten.
Ist das Kind noch im Kindergartenalter ist es hilfreich, wenn die Eltern ihm interessante und abwechslungsreiche Aktivitäten, die die Bindung zu ihnen stärken, anbieten. Eine gute Bindung der Kinder zu den Eltern fördert gute Kommunikation in der Familie. Kinder lernen anderen Kulturen besser verstehen und akzeptieren andere Sprachen als Teil ihrer Identität. Fehlende Bindung zwischen Eltern und Kindern führt dagegen oft zu Missverständnissen, Konflikten und Vorurteilen gegenüber den Kulturen der Eltern.
Gibt es Faktoren, die das Erlernen mehrerer Sprachen begünstigen oder erschweren?
Natalia Pérez-González: Auf jeden Fall, da gibt es einige. Beispielsweise das Selbstbewusstsein der Eltern im Ausland. Für mich ist das das A und O. Wenn sie sich ständig dafür entschuldigen, dass sie eine andere Sprache, ihre Muttersprache, sprechen, führt das zu Verwirrungen. Die Kinder werden diese Sprache dann immer in Frage stellen.
Ein zweiter Faktor ist Bildung: Bildungsnahe Familien haben höhere Chancen erfolgreich mehrsprachig zu erziehen. Eltern, die nicht gern im Ausland leben, ziehen sich oft zurück und vermeiden den Kontakt mit Muttersprachlern aus unterschiedlichen Gründen. Das verhindert die kognitive Entwicklung dieses Geschenks der Einwanderung.
Wir sprechen zuhause neben Deutsch zwei verschiedene Sprachen, da mein Mann und ich aus verschiedenen Ländern kommen. Müssen wir uns für eine Sprache entscheiden und einer der Elternteile sich anpassen? Und falls nicht, wie können wir unsere Tochter an die verschiedenen Sprachen heranführen, so dass sie alle gut lernt. Gibt es da Strategien?
Natalia Pérez-González: Sie müssen sich nicht für eine Sprache entscheiden. In meiner Familie sprechen wir drei Sprachen. Mein Mann bringt den Kindern Kroatisch, ich Spanisch bei. Miteinander sprechen wir Deutsch und falls es mal eine Verständnisfrage gibt, können wir sie in unsere Sprachen übersetzen und das Wort direkt auf Deutsch wiederholen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass unsere Kinder häufig Kontakt mit deutschsprachigen Personen haben, damit sie diese Sprache schnell und gut lernen können.
Vielen Dank, liebe Frau Pérez-González.
Foto: Ryan Wallace von Unsplash
„Mehrsprachigkeit bedeutet Toleranz, Respekt, Kompromisse eingehen und Flexibilität.“
Natalia Pérez-González ist Inhaberin einer Beratungsagentur für Mehrsprachigkeit und Integration. Nähere Informationen: https://multilingual-way.com/ I Natalia auf Instagram I Elternschule für mehrsprachige Erziehung