„Eltern sind Vorbilder, auch beim Essen“
05/11/2020„Je mehr Bewegung, desto besser“
14/01/2021„Bereits 15 Minuten tägliches Lesen reichen aus“
Interview mit Anja Sittig, pädagogische Fachkraft in unserer Kinderkrippe „Neue Wegelagerer“ zum Thema „Vorlesen“.
Zum Bundesweiten Vorlesetag führt die Stiftung Lesen gemeinsam mit „DIE ZEIT“ und „Deutsche Bahn Stiftung“ eine Studie mit wechselnden Themen zum Vorleseverhalten in Deutschland durch.
Die Vorlesestudie 2018 eröffnete, dass rund 78 Prozent der Kinder, denen mehrmals in der Woche oder täglich vorgelesen wurde, Lesenlernen leichter fällt. Bei den anderen ist das laut ihren Eltern deutlich seltener der Fall (50 Prozent).
Anja, warum ist Vorlesen für die kindliche Entwicklung so wichtig?
Anja Sittig: Die Forschung geht davon aus, dass Kinder bereits in der frühen Kindheit und lange bevor sie lesen und schreiben können, Erfahrungen mit verschiedenen Erscheinungsformen der Literacy-Kultur, also der Lese-, Erzähl- und Schriftkultur machen und dass sich diese Erfahrungen umfassend auf ihren Spracherwerb, ihre Sprachkompetenz und ihr Wissen über Sprache auswirken. Kinder, die viel Erfahrungen mit Büchern haben, haben demnach Vorteile gegenüber Kindern mit wenig Literacy-Erfahrung. Sie entwickeln sich besser im Sprechen, Lesen und Schreiben.
Der Begriff Literacy ist dabei sehr komplex. Gemeint ist nicht nur die Lese- und Schreibkompetenz, sondern auch das Text- und Sinnverständnis, die sprachliche Abstraktionsfähigkeit, die Lesefreude, die Vertrautheit mit Büchern und der Schriftsprache oder die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken.
Nicht zuletzt bedeutet Vorlesen durch die Eltern für die Kinder Geborgenheit. In den Momenten des Vorlesens sind sie sich ganz nahe, verbringen in Ruhe gemeinsame Zeit und tauchen zusammen in eine Welt der Phantasie und der Abenteuer ein.
Was rätst Du Eltern, die das Gefühl haben, dass ihnen die Zeit zum Vorlesen fehlt oder die glauben, nicht gut vorlesen zu können?
Überlegen Sie, wie Sie das Vorlesen in Ihren Alltag integrieren können. Bereits 15 Minuten am Tag reichen aus. Die Gute-Nacht-Geschichte als abendliches Ritual ist sicher vielen bekannt, aber auch kleine Momente im Tagesablauf bieten sich zum Vorlesen an. Wenn Sie zum Beispiel immer ein (kleines) Buch in der Tasche haben, können Sie die Wartezeit beim Arzt, an der Bushaltestelle oder im Zug nutzen.
Viele Erwachsene sind unsicher, wie sie „richtig“ vorlesen. Dabei ist es ganz einfach: Ein gemütlicher, kuscheliger Ort ist die ideale Umgebung. Kinder lieben es, wenn man ihnen vorliest, egal ob man perfekt betont, in verschiedene Rollen schlüpft oder nicht. Kinder sind da pragmatisch – Hauptsache, man liest überhaupt vor. (Mit dem gemeinsamen Singen ist es übrigens genauso!)
Unabhängig von der Muttersprache sind beispielsweise Wimmelbücher ideal für Eltern, die sich mit dem Vor-Lesen nicht so sehr identifizieren können. Diese Bücher wachsen mit den Kindern mit, da immer wieder neue Details entdecken werden. Beim gemeinsamen Lesen und Erzählen treten Kinder und Erwachsene in einen kreativen sprachlichen Austausch und öffnen so eine Welt voller Nähe, Sprache, Phantasie und Freude.
Welche Bücher liest Du privat und beruflich am Liebsten vor?
Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl des Buches ist, dass es den Eltern und dem Kind gefällt.
Ist das Thema altersgerecht und interessant? Gefällt die Illustration? Sagt die Sprache zu?
Bilderbücher, die ich nicht missen möchte:
- Wimmelbücher, z. B. von Rotraud Susanne Berner oder Ali Migutsch
- „Hör mal rein, wer kann das sein“ (Foto-Streichel-Soundbücher von Ars Edition)
- Bücher von Eric Carle, wie „Die kleine Raupe Nimmersatt“, „10 kleine Gummienten“, „Die kleine Spinne spinnt und schweigt“
- Paul Maar: „Die Maus, die hat Geburtstag heut“
- Friderike Bostelmann: „Lotta geht aufs Töpfchen“
… und viele mehr.
Wenn mich jemand fragt, was fordert man von einem guten Kinderbuch, dann antworte ich immer: Dass es gut ist.
Astrid Lindgren
„Mein Tipp: Mit dem Kinderausweis der Münchner Stadtbibliothek können sich Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr kostenlos Bücher ausleihen!“
Anja Sittig ist pädagogische Fachkraft in unserer Kinderkrippe „Neue Wegelagerer“.
Lesen verbindet – daher lautet das Jahresthema des Bundesweiten Vorlesetages am 20.11.2020 „Europa und die Welt“